Enttäuscht und abgekämpft gingen die Spielerinnen unserer Damenmannschaft am vergangenen Sonnabend (4.5.) nach dem Abpfiff zu ihren Sporttaschen, packten ihre Siebensachen zusammen und verließen wortlos die Riemannhalle in Ratzeburg. Im Hintergrund der laute Jubel und die Freudengesänge des Ratzeburger Anhangs. „So ein Tag, so wunderschön wie heute,“ hallte es durch die Halle. 19:19 hieß es am Ende der superspannenden 60 Minuten, genauer gesagt am Ende der 60 + 10 Minuten. Denn: Den zahlreichen Zuschauern – es mögen wohl ca. 150 Zuschauer gewesen sein, darunter nur wenige Geesthachter Fans – wurde ein Abstiegskrimi sondergleichen geboten. Ein Krimi, der von seinem Spannungsbogen nicht spannender hätte verlaufen können und der am Schluss in einem Siebenmeter gipfelte, der letztendlich über den Klassenverbleib in der Landesliga oder den Abstieg in die Regionsliga entscheiden sollte. Für unsere VfL-Frauen und ihren Trainer Thomas Brodesser ein Drama in drei Akten.
Aber der Reihe nach: Schon die Ausgangslage war dramaturgisch einzigartig. Nur zwei Mannschaften kamen vor dem letzten Spieltag noch als zweiter Landesligaabsteiger in Betracht: Die Frauen von Tills Löwen und die Brodesser-Schützlinge. Und ausgerechnet diese beiden Teams trafen am letzten Spieltag in Ratzeburg aufeinander. Kein Fernduell um den Abstieg, sondern das direkte Duell der beiden Abstiegskandidaten. Die Löwinnen hatte es vor dem Duell auf 12 Pluspunkte gebracht, unsere VfL-Frauen auf 11. Unsere Damen mussten also auf jeden Fall gewinnen, um die Landesliga zu halten; für Tills Löwen reichte ein Unentschieden zum Klassenverbleib.
Drama 1. Akt: Der Spielverlauf. Lange sah es nicht gut aus für unsere Damen. Tills Löwen führte schnell mit 3:0, unser Team brauchte einige Zeit, um ins Spiel zu kommen und sich an die Atmosphäre in der Halle zu gewöhnen. Zur Halbzeit führten die Handballerinnen aus Mölln und Ratzeburg mit 10:8. Mitte der zweiten Halbzeit lagen sie sogar mit vier Toren vorn (17:13, 44. Minute). Dann ging jedoch ein Ruck durch das VfL-Team. Als wenn jemand einen Schalter umgelegt hatte. Kerstin hielt jetzt auch die Unhaltbaren, die Deckung steigerte sich und vorn wurden die sich bietenden Chancen sicher verwertet. Elf Minuten blieben Kerstin, Nanni, Sabrina & Co. ohne Gegentor. 17:17 lautete das Zwischenergebnis nach 55 Minuten. Und: Kaum zu glauben, in Minute 58:34 verwandelte Ina einen Strafwurf zum 19:18 für Geesthacht. Der Sieg und der Klassenverbleib greifbar nahe. In der Halle wurde es still. Plötzlich waren sogar die Rufe der wenigen Geesthachter Fans zu hören. Nur noch 86 Sekunden…
Drama 2. Akt: Die letzten 86 Sekunden. Als Handballfan würde man jetzt denken, aha, 86 Sekunden, jedes Team hat noch Zeit für einen Angriff. Sollten die Ratzeburgerinnen ihren Angriff erfolgreich abschließen, bliebe noch Zeit für einen VfL-Angriff und den möglicherweise entscheidenden Geesthachter Gegenschlag. Oder: Sollten die Ratzeburgerinnen scheitern, bräuchten unsere VfL‘erinnen ihren letzten Angriff nur noch sicher herunterspielen. Aber: Nichts von alledem! Die letzten 86 Sekunden blieben ausschließlich die Löwinnen in der Offensive. Zeitspiel gepfiffen? Fehlanzeige. Zeitspiel überhaupt angezeigt? Fehlanzeige. Mehr als 80 Sekunden sah man eine bravourös kämpfende VfL-Truppe, die jegliche Wurf- und Durchbruchmöglichkeiten der Gegnerinnen verhinderte, und eine immer ratlosere und verzweifeltere Heimmannschaft. Wenige Sekunden vor der Schlusssirene (die aber in dem Getöse nicht zu hören war) fand dann aber doch eine Löwin noch eine kleine Lücke im Abwehrverbund und wühlte sich wildentschlossen in diese hinein. Foul. Abpfiff. Siebenmeter? Ratlosigkeit bei den Schiris. Erfolgte das Foul noch innerhalb der regulären Spielzeit oder bereits außerhalb? Mehrmals liefen beide Schiris zwischen dem Kampfgericht und dem Siebenmeterpunkt hin und her, um diese Frage zu klären. Und zweimal machte einer der beiden Schiris eine wischende Handbewegung, aus der man hätte entnehmen können, dass das Spiel zur Ausführung des Strafwurfes nicht mehr angepfiffen werden würde. Entscheidung jedoch: Der Siebenmeter wird ausgeführt.
Drama 3. Akt: Der Siebenmeter. „Ich wusste ganz genau, wohin die Siebenmeterschützin werfen würde,“ sagte Kerstin, unsere Torfrau, nach dem Abpfiff, „das Wurfbild der Schützin (Anmerkung: Eileen Kobus, Rückennummer 9, die Haupttorschützin der Löwinnen) hatte ich im Verlaufe des Spiels bereits verinnerlicht. Aber ich hatte im gesamten Spiel mit dem stumpfen Hallenboden zu kämpfen, meine Schuhe wollten nicht so rutschen, wie ich es gebraucht hätte.“ – Sie ahnen es, liebe Leserin, lieber Leser dieser Zeilen: Kein glasklar verwandelter Strafwurf, weil Kerstin sich auf die (aus ihrer Sicht) linke untere Ecke konzentrierte und Eileen Kobus den Ball ins rechte obere Eck donnerte. Sondern: Ein Siebenmeter, wie Kerstin ihn erwartete. Links unten, knapp neben den Pfosten. Und: Kerstin war dran. Wie spekuliert! Aber es fehlten ein, zwei Zentimeter, um den Ball mit dem Fuß um den linken Pfosten zu lenken. Die Richtung des Balles wurde zwar verändert, aber nicht so stark, wie es nötig gewesen wäre. Der Ball prallte mit deutlich verminderter Geschwindigkeit gegen den Innenpfosten und hoppelte in den Kasten. Unglaublich! Nach mehr als 1.320 Minuten Spielzeit in der Saison entscheiden zwei, drei Sekunden und ein, zwei Zentimeter über den Klassenverbleib und den Abstieg! Unglücklicher kann es nicht laufen!
Was unsere VfL-Frauen und ihr Trainer aber in Ratzeburg geleistet haben, verdient allerhöchsten Respekt und Anerkennung. Sie waren das bessere Team, sie haben bravourös gekämpft, sie haben sich nie vom Rückstand entmutigen lassen und sie haben sich nicht von der Atmosphäre in der Halle und dem nicht immer fairen Ratzeburger Publikum beeinflussen lassen. Schade, schade, schade. (hws, 7.5.2024)
Anmerkung in eigener Sache: Der kleine Videoclip wurde unmittelbar nach dem Schlusspfiff aufgenommen. Er dokumentiert die Enttäuschung unserer Spielerinnen, die allen ins Gesicht geschrieben war, und die Atmosphäre in der Halle. Ich bitte, die verwackelten Aufnahmen zu entschuldigen; es war das erste Mal, dass ich mit meiner Kamera gefilmt habe. (hws)
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